Wiederherstellung der Körpersilhouette nach extremer Gewichtsabnahme

Wiederherstellung der Körpersilhouette nach extremer Gewichtsabnahme
Von Prof. Dr. med. Ralf Thomas Michel
Prof. Michel ist Spezialist der Ästhetischen, Plastischen und Wiederherstellendne operativen Medizin. Seine Schwerpunkte liegen in Brustoperationen und körperkonturierenden Eingriffen.
Erstellt am 11.04.2014 · Aktualisierung: 9.03.2021

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Estheticon sprach mit Prof.Dr.med.Ralf Thomas Michel über Möglichkeiten, Nutzen und Risiken der postbariatrischen Chirurgie.

Welches sind, global gesprochen, die Folgen einer massiven Gewichtsreduktion ?

Infolge des entstandenen Hautüberschusses und des Absinkens der Gewebestrukturen kommt es zu einer erheblichen Veränderung der Körpersilhouette, wobei die Bauchregion und der Rumpf, Gesäß, Oberschenkel und Brüste sowie die Oberarme und in vielen Fällen auch der Hals und das Gesicht betroffen sind.

Diese Veränderungen haben wahrscheinlich auch physische und psychische Folgen.

Die resultierenden Folgen sind eingreifend in das Leben der Betroffenen. Neben intertriginösen und hygienischen Problemen leiden die Patienten beispielsweise unter Schwierigkeiten beim Gehen, Wasserlassen und bei sexuellen Aktivitäten. Das führt in vielen Fällen zu psychischen Veränderungen infolge der Unzufriedenheit mit der körperlichen Präsentation, zu Depressionen, einem erheblichen Verlust an Selbstvertrauen und damit auch zu einer allgemein reduzierten Lebensqualität.

Im Zusammenhang mit der Wiederherstellung der Körpersilhouette gibt es Begriffe wie "Body sculpturing" und "Body contouring". Was versteht man darunter ?

Diese Begriffe entstanden im internationalen Schrifttum bereits vor 40 Jahren und beinhalten die operative Wiederherstellung der Körperform. Mit der Etablierung der modernen Form der Liposuktion in den späten 80er und den 90er Jahren kam eine weitere wesentliche operative Technik hinzu, deren Bedeutung ich für die Körperformung ganz besonders schätze. Die Liposuktion ist für mich in diesem Zusammenhang soetwas wie "Bildhauerei am menschlichen Körper".

Gibt es besondere Probleme bei den postbariatrischen Operationen im Vergleich zu "normalen"operativen Eingriffen ?

Diese Patienten haben in der Regel eine deutlich schlechtere Hautqualität bei verminderter Elastizität und Belastbarkeit, was für das Setzen intrakutaner Nähte problematisch ist, ganz abgesehen von oft großkalibrigen Venengeflechten im Subkutanbereich, die Ursache für erhebliche Blutungen sein können. Darüber hinaus sind nach bariatrischen Operationen stets metabolische Besonderheiten zu beachten, die mitunter zu malresorptiv bedingten Mangelernährungszuständen führen, zu chronischer Anämie oder Störungen im Elektrolythaushalt.

Was sind die häufigsten Operationen im Rahmen der postbariatrischen Chirurgie ?

Im Zentrum der rekonstruktiven Eingriffe stehen meist die Abdominoplastik und die Pannikulektomie, der lower body lift und die belt lipectomy, ferner Oberschenkel - und Oberarmstraffungen, die Operationen an der weiblichen Brust wie Reduktionsplastik, Mastopexie und Mammaaugmentation sowie, seltener , die Halsmodellierung und Gesichtsstraffungen.

Würden Sie die postbariatrische Chirurgie mehr dem Bereich der "Kosmetik" oder mehr der kurativen "Medizin"zuordnen ?

Bereits im Jahre 2004 erschien in der international reputierten medizinischen Zeitschrift JAMA von Buchwald und Mitarbeitern eine Metaanalyse, die eine eindeutige Verbesserung der sogenannten Komorbiditäten nach massiver Gewichtsreduktion belegt. Die festgestellten gesundheitlichen Verbesserungen betreffen zum Beispiel die Situation des Diabetes mellitus, die Fettstoffwechselstörungen, die arterielle Hypertonie und das Problem der Schlafapnoe. Das postbariatrische Body contouring spielt in diesem Kontext neben dem physisch-reparativen Ziel eine ganz wesentliche Rolle für die Langzeitstabilisierung der Patienten. Insofern ist auch die restriktive Haltung vieler Krankenkassen zur Kostenübernahme unverständlich und inakzeptabel.

Gibt es für das postbariatrische Body contouring ein operatives Zeitfenster ?

Bei den Patienten muß ein stabiles Körpergewicht mindestens über einen Zeitraum von 3 - 6 Monaten bestehen und der postbariatriche Eingriff sollte nicht vor 12 - 18 Monaten nach der bariatrischen Operation erfolgen. Wir bevorzugen dabei ein "multi stage - Vorgehen", das heißt, die Regel ist eine Sequenz von Eingriffen mit einem minimalen Zeitabstand von 3 Monaten. Dabei können die OP-Zeiten pro Sitzung unter 5 Stunden gehalten werden. Dieses Vorgehen führt gegenüber einem einzigen riesigen Maximaleingriff zu einer geringeren Patientenbelastung mit besserer Wundheilungssituation und zu einer Verkürzung des stationären Aufenthaltes und erleichtert ggf. auch eine notwendige operative Nachkorrektur.

Besteht bei diesem "multi stage - Vorgehen" eine bestimmte einzuhaltende Reihenfolge ?

Wir richten uns prinzipiell nach den individuell gegebenen Patientenprioritäten. Das stärkt erfahrungsgemäß die Motivation der Betroffenen. Natürlich gibt es auch eine Art sinnvolle Standardreihenfolge der Eingriffe, zum Beispiel mit einem lower body lift und der Abdominoplastik zu beginnen und gegebenenfalls Oberschenkel - und Gesäßstraffung anzuschließen, dann ein
upper body lift mit den Brustkorrekturen sowie die Oberarmstraffung durchzuführen und schließlich,wenn notwendig, die Hals - und Gesichtsstraffung und Doppelkinn-Liposuktion vorzunehmen.

Da es sich immer um sehr umfangreiche Eingriffe handelt, besteht wahrscheinlich auch eine erhöhte Risiko-   und Komplikationsrate.

Tiefe Beinvenenthrombosen und Lungenembolien können nach diesen Eingriffen auftreten, entsprechend sind eine effektive Thromboembolieprophylaxe und eine möglichst frühe Mobilisierung notwendig. Aufgrund der großen Wundflächen ist auch in jedem Fall eine Antibiotikaprophylaxe angezeigt. Weiterhin sind überwiegend leichte bis mittelschwere Komplikationen wie zum Beispiel Hämatome, Serome und Wundheilungsstörungen und je nach individueller Situation auch umschriebene lokale Hautnekrosen als Komplikation möglich. Raucher haben dabei ein deutlich erhöhtes Risiko.

Wie gehen Sie mit der Erwartungshaltung der Patienten hinsichtlich des operativen Ergebnisses um ?

Im Rahmen des Aufklärungsgesprächs muß immer ein realistisches Bild der Möglichkeiten und Grenzen der Eingriffe vermittelt werden mit dem Hinweis, daß eine komplette "Normalisierung" bei diesem Patientenkollektiv kaum erreicht werden kann. Auch der Hinweis auf die unvermeidbaren Narbenformationen und die relativ hohe Komplikationsrate sowie die mögliche Notwendigkeit späterer Korrektureingriffe sollte nicht fehlen.

Wie bewerten Sie zusammenfassend das Body contouring nach extremer Gewichtsabnahme für die Praxis ?

Body contouring nach spontaner massiver Gewichtsabnahme oder bariatrischer Chirurgie bewirkt bei den betroffenen Menschen eine psychosoziale Langzeitstabilisierung und unterstützt nachhaltig die dauerhafte Stabilität des Körpergewichts.
Es trägt dabei wesentlich zur Gesundheitsförderung bei, denn die Adipositas ist kein kosmetisches Problem sondern eine lebensbedrohende progressive Erkrankung.
 
Herr Prof. Dr. Michel, wir bedanken uns für das Gespräch.

 

Weitere Informationen zum Prof. Dr. Michel finden Sie hier:  www.prof-dr-michel.de

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