Spagat zwischen Schönheit und Krankheit. Ein Interview.
Dr. med. Dominik Wagner ist Experte auf dem Gebiet der Brustkrebstherapie und an einem zertifizierten Brustzentrum mit Schwerpunkt auf Diagnostik und Therapie tätig. Zudem engagiert es sich seit vielen Jahren im Bereich der ästhetischen Medizin. Bei der Rekonstruktion einer Brust nach einer OP muss er beiden Gebieten gerecht werden. Auf der einen Seite steht die moderne Brustkrebstherapie mit ihren komplexen Anforderungen im medikamentösen sowie operativen Sektor. Auf der anderen Seite sind Feingefühl und Sinn für ästhetische Rekonstruktion gefragt, um Patientinnen nicht nur von ihrem Leiden zu befreien, sondern ihnen auch Lebensqualität und Selbstbewusstsein zurückzugeben.
Herr Dr. Wagner, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Gespräch über zwei sensible Themen nehmen: Krebstherapie und ästhetische Medizin. Wie schaffen Sie diesen Spagat? Und mit der Aufklärung haben Sie ja im Grunde gleich noch ein drittes Betätigungsfeld.
Ja, das stimmt, Aufklärung nehme ich sehr wichtig. Gerade in solch sensiblen Bereichen. Für mich wirkt dieser Spagat zwischen moderner Therapie und ästhetischer Medizin nicht allzu groß. Im Grunde sehe ich gar keine Lücke mehr, denn in meiner praktischen Arbeit sind beide Bereiche eng miteinander verbunden. Schon bei der operativen Therapie eines Mammakarzinoms spielen ästhetische Überlegungen im Sinne der Patientin eine große Rolle. Zudem ähneln sich die OP-Techniken in vielen Belangen. Nehmen Sie zum Beispiel den Wiederaufbau nach der Entfernung der Brustdrüse. Hier sind Silikonimplantate das Mittel der Wahl. Dabei kommt mir die Erfahrung aus der ästhetischen Medizin zugute, wenn ich im Brustkrebszentrum der Klinik arbeite.
Das heißt, Sie nutzen in beiden Bereichen ähnliche Techniken?
Ja, genau. Das umfasst das gesamte Spektrum und beginnt beim Feingefühl, das ein Operateur in diesem Gebiet benötigt. Aber nicht nur das. Die Entwicklungen laufen auch parallel, zum Beispiel nutzen wir Wissen aus der ästhetischen Medizin bei der Entwicklung neuer Implantate. Die Gemeinsamkeiten liegen also in der Forschung wie in der Arbeitspraxis.
Sie sprechen moderne Methoden an, die mitunter noch in der Entwicklung sind. Welche neuen Trends gibt es in der ästhetischen Brustchirurgie?
Grundsätzlich ist Brustchirurgie ein konservatives Fachgebiet. Grundlegende Prinzipien und OP-Techniken erfahren nur minimale Veränderungen. Heute wie früher kommen Silikonimplantate zum Einsatz, allerdings sind die Eingriffe heute viel weniger invasiv – dasist schon ein allgemeiner Trend in der chirurgischen Medizin. Ein recht neues Verfahren, das aktuell viel beworben wird, ist die Brustvergrößerung mit Eigenfett. Dabei kommen eben keine Implantate mehr zum Einsatz, sondern körpereigenes Fettgewebe, was Risiken und Nebenwirkungen minimieren soll, die mit einer Implantat-Einlage verbunden sein können. Zudem gibt es neue Entwicklungen, um das erneute Durchhängen der Brust nach einem Lifting zu vermeiden. Bei Brustverkleinerungen sehe ich einen Trend zu narbensparenden OPs, was sicher im Interesse der Patientinnen liegt.
Wie stehen Sie persönlich zur Methode der Brustvergrößerung mit Eigenfett?
Mir ist in meiner Praxis die ganzheitliche Sicht darauf wichtig – und da gibt es nun mal zwei Seiten. Zunächst kann eine Brustvergrößerung mit Eigenfett einen Doppelnutzen haben. Nehmen wir eine Patientin, die sich eine moderat größere Oberweite wünscht und zugleich unter anderen Problemzonen leidet. Dann kann der Operateur eine Fettabsaugung vornehmen und dieses Gewebe wieder nutzen, um die Brust zu modellieren. Allerdings gibt es auch Risiken und Limitierungen dieses Verfahrens. Das Ergebnis ist oft nicht formstabil.
Wie kommt das?
Nicht alle Fettzellen verbleiben in der Brust, manche werden einfach abgebaut. Studien belegen, dass etwa 20 % des Fettgewebes wieder verschwinden. Von der Absaugung selbst können Narben verbleiben. Und die Brustvergrößerung mit Eigenfett ist auch nur für eine moderate Volumenzunahme praktikabel. Das erfüllt die Wünsche der Patientinnen häufig nicht und ich habe einige dann in meiner Praxis weiter behandelt. Hier führte dann doch das Implantat zur befriedigenden Lösung. Darüber hinaus gibt es schlicht einen Kostenfaktor, die Behandlung mit Eigenfett ist teurer als Silikon. Und ein Implantat lässt sich in exakter Wunschgröße wählen und behält lange ein konstantes Volumen.
Sie haben das Stichwort Absacken gegeben. Lässt sich das nach dem Lifting der Brust überhaupt vermeiden?
Jede Brust sinkt mit der Zeit. Das ist natürlich und normal. Allerdings können wir ästhetischen Mediziner beeinflussen, wie schnell das erfolgt. Konkret ist es so, dass wir die innere Brust formen und fixieren. Sie können sich das wie einen inneren BH vorstellen, den wir konstruieren.
Und welche narbensparenden OP-Techniken gibt es bei einer Brustverkleinerung?
Das kommt darauf an, welcher Effekt gewünscht ist. Nehmen wir den einfachsten Fall des zentralen Liftings. Hierbei entsteht nur eine Narbe um den Warzenhof. Soll hingegen die Brustverkleinerung mit einer Hautresektion verbunden werden, lassen sich größere Narben nicht verhindern – das liegt in der Natur des Eingriffs. Die gesamte Brust wird ja verkleinert und neu geformt. Allerdings gibt es auch hier Techniken, um die Ästhetik der Brust insgesamt durch die Narben nicht zu gefährden. Zudem lassen sich Narben gut pflegen, sodass sie sich unauffällig zurückbilden, bis sie kaum noch zu erkennen sind. Ich empfehle eine silikonhaltige Narbensalbe, die über einen Zeitraum von vier bis sechs Monaten einmassiert wird.