Neue Chancen für die Lust
Herr Prof. Dr. Gress, welche Gründe gibt es für Frauen, eine Intimoperation durchführen zu lassen?
Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Gründen: funktionelle und ästhetische Probleme. Viele Frauen, die zum Beispiel unter stark vergrößerten inneren Schamlippen leiden, haben Schmerzen beim Geschlechtsverkehr oder Probleme beim Sport. Eine Schamlippenverkleinerung kann dieser Probleme beheben. Etwa genauso viele Frauen kommen zu mir, weil sie sich im Genitalbereich nicht schön finden. Das führt dazu, dass sie sich nicht mehr trauen, in die Sauna zu gehen, oder Sex mit ihrem Partner nur noch im Dunkeln stattfindet. Das allgemeine Bewusstsein für die Ästhetik des Genitalbereichs hat sich gewandelt, seit es Mode geworden ist, sich im Intimbereich zu rasieren. Aber die betroffenen Frauen leiden oft schon sehr lange darunter. Jetzt haben sie die Möglichkeit, sich durch eine Korrektur der inneren und äußeren Schamlippen, eine Klitoris-OP oder eine Vaginalverengung helfen zu lassen. Außerdem können durch spezielle operative Eingriffe im Genitalbereich Empfindungsstörungen der Frau, wie sie zum Beispiel oft nach Geburten auftreten, behoben und die sexuelle Empfindsamkeit gesteigert werden. Auch das halte ich für sehr wichtig, denn ich plädiere für eine freie Selbstbestimmung der Frau auch im sexuellen Bereich.
Welche Möglichkeiten gibt es denn, das weibliche Lustempfinden wieder herzustellen oder zu steigern?
Häufig sind anatomische Veränderungen der Grund dafür, dass Frauen beim Sex keine Lust mehr empfinden. Studien haben bestätigt, dass die weibliche Empfindungs- und Stimulationsfähigkeit nach spontanen Geburten um durchschnittlich 40 Prozent zurückgeht, weil die Vagina beim Geburtsvorgang überdehnt wurde. Viele Frauen leiden darunter, aber die meisten nehmen das als naturgegeben und unabänderlich hin – worin sie übrigens oft von ihrem Gynäkologen bestätigt werden –, weil sie gar nicht wissen, dass Ihnen ein intimchirurgischer Eingriff helfen kann. Ein erfahrener plastischer Chirurg kann aber den Vaginalkanal wieder in den Zustand vor der Geburt bringen, indem er eine Gewebestraffung oder eine Eigenfett-Unterspritzung durchführt.
Nicht nur aufgrund von Geburten kann die sexuelle Empfindsamkeit eingeschränkt sein. Bei manchen Frauen sind anatomische Besonderheiten wie etwa ein Überschuss an Klitorisvorhaut angeboren, durch welche die Lust beim Geschlechtsverkehr eingeschränkt ist. Sehr individuell ist die Empfindsamkeit des G-Punkts. Manche Frauen reagieren auf eine Stimulation des G-Punkts äußerst sensibel, andere überhaupt nicht. Dann kann man den G-Punkt durch eine vorsichtige Unterspritzung mit Eigenfett oder mit Hyaluronsäure vergrößern und aufwölben und so in den meisten Fällen eine deutliche Steigerung der Stimulations- und Orgasmusfähigkeit erreichen.
Entscheiden sich die Frauen aus freien Stücken für eine Genitaloperation oder steht oft ein Mann dahinter?
Nein, die Männer spielen bei der Entscheidung für eine Intimoperation praktisch keine Rolle – ganz anders als beispielsweise bei Brustoperationen, bei denen sehr häufig die Männer die Körbchengröße mit aussuchen. Wir haben inzwischen mehr als tausend Genital-Eingriffe durchgeführt, und nach unserer Erfahrung kommen die Frauen absolut auf eigenen Wunsch zu uns. Die meisten sind zwischen 30 und 55 Jahre alt, stammen aus der mittleren bis gehobenen sozialen Schicht, sind gut ausgebildet, erfolgreich und selbstbewusst. Sie achten auf ihr äußeres Erscheinungsbild, sind gepflegt und wünschen sich ein selbstbestimmtes und lusterfülltes Sexualleben.
Welche Risiken bestehen denn bei einer Genitaloperation – verglichen etwa mit plastischen Operationen in anderen Körperregionen?
Grundsätzlich gelten Eingriffe im weiblichen Genitalbereich als sehr sicher. Aber natürlich gibt es Risiken, wie bei jeder anderen Operation auch. Es kann zu Nachblutungen oder einer Blutansammlung im Gewebe kommen. Auch Infektionen oder Hämatome können auftreten, die in manchen Fällen chirurgisch wieder beseitigt werden müssen. Das Endergebnis des Eingriffs wird dadurch aber nicht beeinträchtigt. Es kommt auch vor, dass sich die Wunde teilweise oder ganz wieder öffnet. Alle diese Risiken lassen sich aber, wenn sie auftreten, medizinisch gut behandeln. Dennoch ist es wichtig, dass sich eine Frau, die eine Genitaloperation plant, sich dieser Risiken bewusst ist. Ein verantwortungsbewusster Chirurg klärt die Patientin in einem ausführlichen und individuellen Beratungsgespräch vor der Operation über mögliche Gefahren auf und geht auf ihre Fragen ein.
Wie viel Zeit muss die Patientin für eine Operation einplanen?
Das ist sehr unterschiedlich und hängt davon ab, wie die Gegebenheiten im Einzelfall sind und welche Art der Operation durchgeführt werden soll. Eine Schamlippenverkleinerung dauert üblicherweise rund zwei Stunden. Dann muss die Patientin noch einmal zu einer gründlichen Nachuntersuchung kommen, damit ein perfektes Ergebnis gewährleistet werden kann. In der Regel lassen sich die Operationen ambulant durchführen. Nur bei größeren Eingriffen sollte die Patientin zur Sicherheit eine Nacht in der Klinik bleiben.
Und nach der Operation? Wie lange braucht der Körper, um sich zu regenerieren, und mit welchen Einschränkungen muss man in dieser Zeit rechnen?
Im Alltag werden die Frauen durch die Operation nicht sehr lange beeinträchtigt. Nach der Operation kommt es zu Schwellungen und einem leichten Bluterguss, beides klingt aber üblicherweise innerhalb weniger Tage ab. Nach drei bis vier Wochen sind rund 70 Prozent der Schwellung verschwunden. Es bleibt noch eine ganz leichte, kaum noch sichtbare Schwellung, die dann allmählich in den nächsten Monaten zurückgeht.
In den ersten vier Wochen sollten die Patientinnen keinen Geschlechtsverkehr haben und auch auf bestimmte Sportarten wie etwa Reiten, Radfahren oder Joggen verzichten. Sonst könnten sich die Wunden, die zwar bereits verschlossen, aber noch nicht belastbar sind, durch die Belastung wieder öffnen.
Hat man nach einer Genital-OP automatisch besseren Sex?
Nein, so vereinfacht kann man das nicht sagen. Durch den Eingriff werden die idealen körperlichen Voraussetzungen dafür geschaffen. Dies ersetzt aber natürlich keineswegs das emotionale und zwischenmenschliche Umfeld, in dem allein guter Sex stattfinden kann. Ein erfülltes Sexualleben funktioniert eben nur mit dem richtigen Partner – daran ändern auch die neuen medizinischen Möglichkeiten nichts.