Rechtssicherheit beim Gesundheitstourismus

Rechtssicherheit beim Gesundheitstourismus
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Dr. Skulavik ist spezialisiert auf Intimchirurgie mit Zulassungen für die Slowakei, Österreich und Tschechische Republik. Derzeit arbeitet sie in der privaten Mediklinik in der Nähe von Bratislava.
Erstellt am 23.03.2011 · Aktualisierung: 16.12.2021

Nicht zuletzt wegen der zunehmenden Inanspruchnahme von ärztlichen Behandlungen und Operationen im Ausland ist das Arzthaftungsrecht eines der am meisten wachsenden Rechtsgebiete unserer Zeit. Leider wird bei der Entscheidung für oder wider einen Eingriff im Ausland ein wichtiger Faktor häufig verdrängt: die Rechtssicherheit. Dazu hat Estheticon die bekannte Fachärztin für Plastische Chirurgie und Expertin für Medizinrecht, Frau Dr. med. Jozefina Skulavik, in Wien befragt.

Estheticon: Frau Dr. Skulavik, Sie sind niedergelassene Fachärztin für Plastische, Ästhetische und Rekonstruktive Chirurgie in Wien. Operative Eingriffe führen Sie in modernen OP-Zentren und Krankenhäusern in Wien (A), Bratislava (SK) und Nitra SK) durch. Welche Vorteile ergeben sich daraus für Ihre ausländischen Patienten?

Dr. Skulavik: Der Vorteil dieser Konzeption besteht in der Kombination aus Rechtssicherheit und Kostenersparnis. Ich übe meine ärztliche Tätigkeit nach österreichischem Recht aus. Gerichtsstand ist Wien. Bei gleichzeitiger Gewährleistung maximaler Sicherheit durch die Auswahl von Krankenhäusern der Grund- und Regelversorgung mit qualitätsgesicherten Operationssälen sind operative Eingriffe in der Slowakei folglich niedrigerer Spitalskosten erheblich kostengünstiger, verglichen mit äquivalenten Leistungen im Herkunftsland meiner Patienten. Beratung, Eingriffsaufklärung, prä-operative Vorbereitung und post-operative Nachsorge erfolgen hingegen in meiner Privatpraxis in Wien.

Estheticon: Frau Dr. Skulavik, Sie betonen die mit ihrem Leistungsangebot verbundene Rechtssicherheit. Könnten Sie uns das bitte näher ausführen?

Dr. Skulavik: Grundsätzlich ist in vielen Teilen der Welt medizinische Versorgung auf hohem Niveau möglich. Manche Länder werben mit einer „First Class Medizin“ zu „Drittwelt Preisen“. Aber es existieren zum Teil gravierende Schattenseiten: Kommt es zu einem Behandlungsfehler, so sind die Chancen für eine erfolgreiche juristische Aufarbeitung gering. Werden Angebote lediglich über das World Wide Web und nicht über gezielte Werbung in z.B. Deutschland oder Österreich gemacht, so können Rechtsstreitigkeiten nicht ohne weiteres von Deutschen oder Österreichischen Gerichten entschieden werden. Zudem ist fraglich, ob die behandelnden Ärzte in Besitz einer angemessenen Berufshaftpflichtversicherung sind.

Estheticon: Sind Sie in Besitz einer angemessenen Berufshaftpflichtversicherung?

Dr. Skulavik: Selbstverständlich.Bis datoist die Berufshaftpflichtversicherung für Ärzte in Österreich eine Freiwilligenversicherung. Ab April 2011 ist der Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung mit einer Mindestdeckungssumme in Höhe von EUR 4 Millionen gesetzlich vorgeschrieben. Ich bin nicht nur im Rahmen meiner ärztlichen Tätigkeit in Österreich, sondern ebenfalls gegen in der Slowakei eingetretene Deckungsfälle angemessen haftpflichtversichert.

Estheticon: Ein weiterer Faktor, den viele Beautytouristen außer Acht lassen, ist der im Ausland oft nicht bestehende Schadensersatzanspruch: In vielen Ländern kann für eine nicht korrekte Behandlung meist kein Schadensersatz gefordert werden. Wie ist die Rechtslage in Österreich?

Dr. Skulavik: Nach der österreichischen Rechtslage, ist im Arzthaftungsfall das allgemeine Schadensersatzrecht des Allgemein Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) anwendbar. Allerdings ist angesichts der Schwierigkeiten, einen schuldhaften Behandlungsfehler nachzuweisen, die österreichische Rechtsprechung auf die Haftung für unterbliebene oder unzureichende Eingriffsaufklärung ausgewichen. Die Rechtsprechung in Österreich übernimmt dabei zeitversetzt Vorgaben der Rechtsprechung des deutschen Bundesgerichtshofes.

Die Grundsätze der Rechtsprechung zur Aufklärungspflicht orientierten sich nicht an den Besonderheiten des Arzt-Patienten-Verhältnisses, sondern sind im Hinblick darauf entwickelt worden festzulegen, in welchen Fällen Patienten Ersatz für die bei der Behandlung erlittenen Schäden erhalten sollen.

Die ärztliche Aufklärungspflicht folgt zunächst aus dem Behandlungsvertrag mit dem Patienten. Der Behandlungsvertrag, der zwischen Patient und Arzt oder Krankenhausträger zustande kommt, wird als freier Dienstvertrag bewertet. Der Arzt schuldet dem Patienten eine Behandlung „nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung“ und hat „unter Einhaltung der bestehenden Vorschriften das Wohl der Kranken und den Schutz der Gesunden zu wahren“. Der Arzt schuldet weder Heilung noch ein bestimmtes ästhetisches Ergebnis.

Die Rechtsprechung hat den Aufklärungsgegenstand, die Voraussetzungen des Wegfalls der Aufklärungspflicht sowie Form und Zeitpunkt der Aufklärung näher bestimmt. Im Rahmen der Aufklärung ist auf Risiken und Art des Eingriffs sowie auf seine Erfolgsaussichten und mögliche Behandlungsalternativen einzugehen.

Der Oberste Gerichtshof unterscheidet zunächst zwischen der Aufklärungspflicht über typische Risiken des jeweiligen Eingriffs und der über allgemein mit jedem ärztlichen Eingriff verbundenen Risiken. Typische Risiken seien solche Risiken, die speziell dem geplanten Eingriff anhaften und auch bei Anwendung allergrößter Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden seien. Da diese Risiken den nicht informierten Patienten überraschen würden, weil er mit diesen Folgen der Behandlung überhaupt nicht rechne, sei über typische Risiken eines ärztlichen Eingriffs immer und unabhängig von ihrer Komplikationshäufigkeit aufzuklären. Eine Aufklärungspflicht bestehe daher auch dann, wenn der Eintritt des Risikos äußerst selten sei. Insofern sei die Aufklärungspflicht bei typischen Risiken verschärft. Das typische Risiko müsse jedoch von einiger Erheblichkeit und dadurch geeignet sein, die Entscheidung des Patienten, ob er in den geplanten ärztlichen Eingriff einwilligen wolle oder nicht, zu beeinflussen.

Risikoauf­klä­rung muss rechtzeitig erfolgen, sie ist unzulässig am Vorabend des Eingriffs und muss nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes auch über die allgemein mit einem ärztlichen Eingriff verbundenen Risiken wie das Infektions-, Thrombose- oder Embolierisiko aufzuklären.

Eine Pflicht des Arztes, den Patienten darüber aufzuklären, dass das gewünschte Ergebnis des Eingriffs zweifelhaft ist, wurde bisher nur in einer Entscheidung zur Aufklärungspflicht bei kosmetischen Operationen angenommen. Wenn der Eingriff medizinisch nicht unmittelbar notwendig sei, wie etwa bei kosmetischen Operationen, sei im Rahmen der Aufklärung auch auf die Erfolgsaussichten des geplanten Eingriffs einzugehen. Dadurch solle es dem Patienten ermöglicht werden, frei zu entscheiden, ob er sich dem geplanten Eingriff unterziehen wolle. Ob der Patient darüber hinaus über weitere Umstände, die den geplanten Eingriff indizieren, aufzuklären sei, wurde dagegen von der Rechtsprechung noch nicht entschieden.

Estheticon: Können Patienten grundsätzlich auf die ärztliche Aufklärung verzichten?

Dr. Skulavik: Die Möglichkeit des Wegfalls der Aufklärungspflicht bei Aufklärungsverzicht wird nur in wenigen Entscheidungen angesprochen. Die Aufklärung solle nicht gegen den Willen des Patienten erfolgen. Der Arzt müsse herausfinden, inwieweit eine Aufklärung über mögliche Risiken der Operation gewünscht werde. Von den Umständen des Einzelfalles hänge ab, inwieweit allein aus dem Verhalten des Patienten geschlossen werden könne, dass er an einer Aufklärung nicht interessiert sei. Nur aus der fehlenden Frage des Patienten könne jedoch nicht auf einen Aufklärungsverzicht geschlossen werden. Ein konkludenter Aufklärungsverzicht könne darin gesehen werden, dass der Patient dem Arzt gegenüber sein Vertrauen bekunde und ihm die Entscheidung über die Vornahme des Eingriffs überlasse.

Estheticon: Herzlichen Dank für dieses Gespräch.

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