Sicherheit für die Patienten, ein Interview in San Francisco

Sicherheit für die Patienten, ein Interview in San Francisco
Von Dr. med. Constanze Neuhann-Lorenz
Frau Dr. med. Constanze Neuhann-Lorenz hat schon während des Studiums ihre Leidenschaft zur plastischen und ästhetischen Chirurgie entdeckt. Mittlerweile ist sie Mitinhaberin einer eigenen Praxis.
Erstellt am 15.09.2010 · Aktualisierung: 11.08.2022
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Das Hauptthema dieses Kongresses ist Patientensicherheit, „patient safety“. Was bedeutet dieser Begriff?

Patienten gehen stets davon aus , dass sie, wenn sie sich einer ärztlichen Behandlung unterziehen, ein Maximum an ärztlichem Wissen, an ärztlicher Fürsorge und Sorgfalt erfahren,  Wenn   so mit maximaler ärztlicher Verantwortung  behandelt wird kann man von der bestmöglichen Sicherheit für die Patienten   sprechen.

Könnten Sie uns das etwas näher erklären?

Dieses Thema lässt sich in vier Gesichtspunkte aufteilen: Es geht um die

  1. richtige Behandlungsart und -technik

  2. durch einen korrekt ausgebildetenen, verantwortungsbewußten Arzt.

  3. um den Ort,  die  Einrichtung, in der es zu dieser Behandlung kommt,

  4. und auch um den körperlichen Zustand des Patienten oder der Patientin, die operiert werden soll,.

Was ist hinsichtlich des Ortes zu beachten?

Hiermit ist z.B. die Frage verbunden, ob die Behandlungsräume bzw. Operationssäle von staatlichen Gesundheitsbehörden oder anderen offiziellen Hygieneinstituten geprüft wurden. Vor einer Operationen, muss man als Patient sicher sein , dass es sich um eine nachweisbar geprüfte und mit einem Qualitätssiegel versehene Einrichtung resp. Operationssaal handelt.

In welchen Ländern gelten diese „harte Kriterien“?

Klare Regelungen gibt es bislang leider nur in einigen wenigen Ländern Dies ist der Fall z.B. in Deutschland, in einigen Staaten  der USA, in Dänemark oder Spanien. In diesen Ländern sind die Reglements sehr streng und vor allem auch deutlich dargestellt. So können die Patientin oder der Patient, wenn sie sich einem Chirurgen oder einem Arzt anvertrauen, sicher sein, auf ein entsprechendes Umfeld zu treffen. Unsere Patienten gehen zum Arzt und denken immer, dass dieser alles richtig machen wird. Dies ist leider nicht immer der Fall.

Nochmals zurück zur „Patientensicherheit“. Können Sie vielleicht für die Besucher unseres Internet-Portals kurz zusammenfassen was die Hauptgrundsätze der Patientensicherheit sind und was das praktisch bedeutet?

Betrachten wir den Bereich der plastischen und ästhetischen Chirurgie sehen wir, dass wir sicher gehen müssen, dass der Arzt ein Facharzt ist, ein „ board certified“ Chirurg. In Deutschland heißt er aus diesem Grund „Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie“. Die Kenntnissewurden  in einer staatlich geregelten Facharztausbildung erworben. In Deutschland können Hals-Nasen-Ohren-Ärzte und Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen, die eine Zusatzbezeichnung für plastische Operationen haben, solche Operationen in ihrem Körper-Bereich durchführen. Ein Hals-Nasen-Ohren-Chirurg, der Brustvergrößerungen oder Fettabsaugungen am Bauch und an den Hüften durchführt, bewegt sich nicht innerhalb des Rahmens, den wir für sicher erachten.

Was sollte bei den Ärzten noch beachtet werden?

Ein weiterer Punkt ist, dass Ärzte eine Haftpflicht-Versicherung haben müssen. Auch in den allerbesten Händen kann ein Unglück geschehen, ein durchaus auch schicksalhaftes Unglück während einer Operation. Solch ein schreckliches Ereignis muss einer Versicherung zugeführt werden, damit wenigstens  wirtschaftliche Folgen für den Patienten sicher getragen werden. Deswegen fordern wir, dass alle Ärzte, die solche Operationen durchführen, eine Haftpflichtversicherung haben. Jeder Patient tut gut daran, sich zu informieren, wo und ob der Arzt haftpflichtversichert ist.

Sehr wichtig in diesem Zusammenhang sollte doch auch die Beratung durch den Arzt sein.

Richtig. Der Arzt muss sich mit dem Patienten auseinandersetzen. Er muss ihn über die Operation informieren und nach Vorerkrankungen fragen. Er muss vor dem Operationstag eine Einwilligungserklärung unterschreiben lassen, die der Patient verstanden hat, die also in der Sprache desselben abgefasst ist.

Patienten fühlen sich dennoch oftmals geradezu hilflos in der Welt der Medizin.

Deswegen muss der Patient eine „cool-down“-Zeit, eine Bedenkzeit zwischen Aufklärung und Operation, haben. Auch der Patient wird wie ein Kunde im Geschäft von Informationen überflutet. Wenn er eine Woche darüber nachdenken kann, sieht er die Dinge erwachsener, ist  informierter und wird auch viel ruhiger in eine Operation gehen, vor der er genügend Bedenkzeit hatte.

Warum ist die Frage der Patientensicherheit mit all ihren nun bereits beschriebenen Aspekten so aktuell?

Hier auf dem internationalen Kongress der ISAPS (Anm. Red.:International Society for Aesthetic Plastic Surgery) sind 86 Nationen verbunden und in der IPRAS (Anm. Red.:International Confederation for Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery), dem übergeordneten Organ, sind es über 90 Nationen. Die hier organisierten Kolleginnen und Kollegen, die alle Fachärzte für Plastische und Ästhetische Chirurgie sind, informieren sich über neue Methoden und Ergebnisse .Es findet ein lebhafter Erfahrungsaustausch statt. Plastische Chirurige  ist also ein ständiger Prozess mit vielen Veränderungen, die entsprechend diskutiert und bewertet werden müssen.

Was bedeutet denn die „Patientensicherheit“ in einer zusehends globalisierten Medizin?

Man kann sich vorstellen, dass Menschen für eine Operation ins Ausland fahren, da sie gehört haben, dass es dort einen besonders guten Chirurgen gibt. Finanzielle Gründe können hier auch eine Rolle spielen. Diese halte ich aber – und widerspreche damit dem Wunsch unserer Patienten – für ein schlechtes Argument. Es gibt nur dieses eine Gesicht und nur diesen einen Körper und eine Operation kann nie vollständig rückgängig gemacht werden.

Es bedarf also vieler Vorüberlegungen?

Ja, unbedingt. Das trifft auch auf die Bezahlung zu. Wenn für eine solche Operation ein Kredit aufgenommen werden muss, dieser Kredit aber dann nicht mehr bedient werden kann, kann das operierte Gesicht – im Gegensatz zu einem Auto – nicht zurückgegeben werden. Man muss sich folglich sicher sein, dass man eine solche Operation durchführen lassen will und dass man sich an jemanden wendet, der solche Kriterien beachtet und sich mit dem Patienten als Individuum auseinandersetzt, also nicht einfach den Wünschen des Patienten folgt, sondern zuerst einmal ausführlich berät.

Es ist sehr wichtig, dass sich die Patienten im Vorhinein mit der Operation auseinandersetzen. Welchen gesetzgeberischen Hintergrund haben diese Überlegungen in den verschiedenen Ländern?

Die Gesetzgebung ist sehr unterschiedlich. Momentan haben Singapur, Dänemark, Frankreich, Brasilien, Spanien, die USA und mit Einschränkungen Deutschland die strengsten Gesetze. Dänemark und Singapur sind was eine scharfe Gesetzgebung betrifft tatsächlich die Top-Nationen, in denen die Gesetzgebung auch entsprechend durchgesetzt und eingehalten wird.

Wie ist Ihre Organisation, die IQUAM, hier tätig?

Wir sind jetzt bei der Europäischen Normungs - Komitte, dem CEN oder dem ISO, mit einem Kommunique vorstellig, um solche Regeln international einzuführen, damit der Patient keine so große Angst mehr haben muss, wenn er für eine Behandlung ins Ausland fährt.. Wir werden da wohl zu einem guten Ergebnis kommen, erst einmal in Europa und dann hoffentlich auch international.

Wie sehen konkrete Forderungen aus?

Ich bin z.B. Vorsitzende des Komitees für die Beziehungen zu den Regierungen. In Deutschland stehen wir   in gutem Kontakt mit Parlamentariern unterschiedlicher Parteien. Derzeit wird u.a.  angestrebt,  plastisch-ästhetische Operationen an Personen unter 18 Jahren einzuschränken und nicht zu erlauben.

Frau Dr. Neuhann-Lorenz, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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