Die körperdysmorphophobe Störung in der ästhetischen Chirurgie
Es gibt eine Reihe von psychischen Auffälligkeiten, die zur Unzufriedenheit mit der ästhetischen Maßnahme führen können. Ängstlichkeit, Depression, geringes Selbstwertgefühl und allgemeine negative ästhetische Selbsteinschätzung gelten als psychologische Risikofaktoren. Die KDS geht aber über eine negative Selbsteinschätzung hinaus – sie nimmt fast wahnhafte Züge an. Nach der internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (ICD 10) gehört die KDS zu den hypochondrischen Störungen. Vorherrschend ist bei der Körperdysmorphophobe eine beharrliche Beschäftigung mit der Möglichkeit, an einem oder mehreren fortschreitend ästhetischen Makeln zu leiden. Die Missbildung ist in den meisten Fällen gar nicht oder nur geringfügig vorhanden. Die Besorgnis bezogen auf das eigene Aussehen steigert sich in manchen Fällen zu krankhaften körperbezogenen Wahnvorstellungen.
Nach der Auswertung soziodemografischer Daten von 250 Patienten mit körperdysmorpher Störung, die zum Zeitpunkt der Datenerhebung im Mittel 33 Jahre alt waren, beginnt die Erkrankung typischerweise in der Pubertät. "Ein Dysmorphophobie-Patient beschäftigt sich wahnhaft anmutend und beharrlich mit der äußeren Erscheinung von ein bis zwei Körperteilen." So beschreibt Professor Claudia Mehler-Wex von der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Ulm einen typischen Patienten mit körperdysmorpher Störung. Anfangs drehen sich seine Gedanken meist nur um eine Körperregion, später treten dann weitere hinzu. Haut, Haare, Nase, Augen und Beine sind in dieser Reihenfolge die häufigsten Regionen, die als entstellt wahrgenommen werden. Akne, Muttermale, ein vermeintlich zu dicker Po, eine zu große Nase oder ein angeblich unmännlicher Oberkörper sind nur einige Beispiele für subjektiv wahrgenommene Mängel. "Bei Frauen überwiegt die Sorge um Brust und Beine. Männer dagegen richten ihr Augenmerk insbesondere auf Genitalien, Körperbehaarung und Körpergröße", berichtet Mehler-Wex (InFo Neurologie & Psychiatrie 10, 2008, 49).
Fast alle Betroffenen haben einen starken Beobachtungswahn. Betroffene mit einer KDS denken oft bis zu mehrere Stunden am Tag über ihre äußerliche Erscheinung nach bzw. leiden unter Zwanghaften Gedanken über ihr Aussehen, die als sehr störend und angsteinflößend empfunden werden. Sie sind überzeugt davon, dass andere Menschen sie mit besonderer Aufmerksamkeit betrachten und sie als hässlich empfinden. Angst, aber vor allem Scham quält die Betroffenen. Viele haben ein geringes Selbstbewusstsein. Depressionen sind die häufigste Begleiterkrankung bei Patienten mit Dysmorphophobie.
Hinzu kommen zwei Zwangsstörungen: Kontrollverhalten und Vermeidungsverhalten. Patienten mit Dysmorphophobie vergleichen ständig das eigene Aussehen mit dem von anderen, überprüfen sich in Spiegeln und anderen reflektierenden Oberflächen und suchen nach Rückversicherung und Bestätigung des angenommenen Defekts. Assoziierte Merkmale der KDS sind unter anderem exzessive Pflegerituale (wie z.B. das Kämmen der Haare, Auftragen von Make-up, Zupfen der Haut), sowie das Vertuschen der vermeintlichen Defekte (z.B. durch das Tragen von Hüten, um ausünnendes Haar zu verbergen). Dann wiederum vermeiden sie Spiegel, versuchen den Makel zu kaschieren oder flüchten sich in sozialen Rückzug. Viele Betroffene gehen kaum mehr vor die Haustür, meiden Einkaufszentren, Partys und sogar die Arbeit. 75 Prozent der Betroffenen sind unverheiratet und genauso viele berichten von einer Einschränkung der beruflichen Tätigkeit.
In einer Studie von Buhlmann et al. (2008) zeigte sich, dass KDS-Patienten die eigene Attraktivität als signifikant gering einschätzen. Die Attraktivität von anderen wird im Gegenzug extrem überbewertet und als positiv empfunden. Dies zeigt, dass die gesamte Wahrnehmung von sich selbst und anderen Personen gestört ist. Generell führt die Wechselwirkung von Wertigkeit des Körperbildes und Zufriedenheit mit dem eigenen Körper zum Wunsch nach kosmetischer Chirurgie.Es ist die individuelle Wahrnehmung, die das Empfinden von Schönheit bzw. Hässlichkeit für den Einzelnen ausmacht. Die ästhetisch-plastische Intervention in den Körper ist denn auch vor allem als chirurgische Korrektur des Selbstwertgefühls der Person zu verstehen, das bei den Betreffenden ganz stark von der Wahrnehmung des eigenen Aussehens abhängt. Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass ein Eingriff in die körperliche Erscheinung erfolgreich sein kann, liegt darin, dass sich die subjektiven Probleme der betreffenden Person wirklich auf körperlich Korrigierbares beziehen und nicht psychopathologischen Ursprungs sind. Denn im letzteren Fall wird ein ästhetisch-chirurgischer Eingriff niemals in der Lage sein, das ursächliche Leiden der Person zu therapieren. Für den Facharzt für Plastische Chirurgie ist es nun wichtig, die Anzeichen zu erkennen. Er kann dem Patienten nur wirklich weiterhelfen, indem er ihn nicht operiert und an einen zuständigen Psychologen weiterempfiehlt. Im Falle einer ästhetischen Maßnahme riskiert er, dass der Patient depressiv wird und die Symptome verstärkt auftreten. Zusätzlich schützt er sich mit einer Nichtbehandlung selbst, da die Patienten ihren Ärger nicht nur an sich selbst, sondern auch am Arzt auslassen. Extreme Reaktionen wie Rufmord, ständige Belästigung oder gar Mordanschläge sind in der Literatur einschlägig vorhanden.Patienten mit einer körperdysmorphophoben Störung profitieren nicht von einem ästhetisch-chirurgischen Eingriff. Sie sind oft begnadete Redner und schaffen es im Gespräch, den Arzt von ihren Sorgen zu überzeugen. Weiterhin können Sie sehr gut schmeicheln, sodass eine Absage hinsichtlich der Behandlung schwierig ist. Der plastische Chirurg ist aber auf chirurgischem Weg nicht in der Lage, dem Patienten zu helfen. Im Gegenteil, er verstärkt eventuell die Symptome und gerät selbst ins Visier der Betroffenen. Soll dem Patienten geholfen werden, heißt die beste Behandlungsmöglichkeit bei einer körperdysmorphophoben Störung „keine Behandlung“.